Auszubildende, Ausbildungseinrichtungen und BBS II Osterode starten gemeinsame Aktion gegen Fachkräftemangel in der Pflege- und Behinderteneinrichtungen Berlin
Schüler kämpfen um Ausbildungsvergütung in Pflege- und Sozialberufen
Ende September machten sich 44 Schülerinnen und Schüler mit Lehrkräften und Vertretern von Pflege- und Behinderteneinrichtungen auf den Weg zu einer außergewöhnlichen Bildungsfahrt. Es ging nach Berlin, wo sie auf Initiative und mit Unterstützung des Bundestagsabgeordneten Dr. Roy Kühne auf die Ausbildungsgänge der Pflegeassistenten und der Heilerziehungspfleger aufmerksam machten. Denn diese Auszubildenden erhalten, obwohl sie in den 2 bzw. 3 Jahren ihrer Ausbildung regelmäßig circa 500 Stunden jährlich in Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen sowie Einrichtungen der Jugend- und Behindertenhilfe absolvieren, leider keinerlei Vergütung. Dies ist für alle Seiten ein unhaltbarer Zustand, der besonders in Zeiten des Pflegenotstandes geändert werden muss.
Schon im Frühjahr fand dazu an der BBS II Osterode ein Treffen von Schülerinnen und Schülern, deren Lehrkräften sowie Ausbildungseinrichtungen mit MdB Dr. Kühne und MdL Karl-Heinz Hausmann statt. Als Missstand wurden dabei die fehlenden Ausbildungsvergütungen sowie deren Folgen, nicht nur für die Pflegenden selbst, sondern auch für die Qualität der Pflege thematisiert. Man beschloss gemeinsam dagegen aktiv zu werden. Nach einer Unterschriftensammlung in der Öffentlichkeit und einer Petition an den Bundestag sowie den Landtag in Hannover sollte der Problematik in Berlin weiter Nachdruck verliehen werden.
Dazu wurde die Gruppe in der Hauptstadt vom Pflegebevollmächtigten der Bundesregierung, Staatssekretär Andreas Westerfellhaus, im Bundestag empfangen.
In einem lebhaften Gespräch wurde in sehr emotionalen und ergreifenden Schilderungen der Auszubildenden deutlich, welche Opfer sie zeitlich und finanziell auf sich nehmen, um andere Menschen zu pflegen und zu unterstützen. Fast alle Schülerinnen und Schüler müssen neben der Ausbildung mindestens einen, häufig zwei Nebentätigkeiten ausüben, um ihren Lebensunterhalt zu finanzieren, während Auszubildende in anderen Ausbildungsgängen, z.B. im Kfz- oder Baugewerbe, Vergütungen in Höhe von bis zu 1000 Euro im Monat erhalten. Diese Unterschiede wurden von allen Seiten als eine Ursache für die mangelnde Attraktivität eines Einstiegs in die Pflege- und Unterstützungsberufe ausgemacht, die letztendlich auch in der Region Osterode/Göttingen für den Mangel an Fachkräften mitverantwortlich ist.
Unterstützt wurden die Schülerinnen und Schüler von Vertretern der Ausbildungseinrichtungen, die eindringliche Worte an den Pflegebevollmächtigten richteten und diesen aufforderten, in den entsprechenden politischen Gremien aktiv zu werden, um der unhaltbaren Situation entgegenzuwirken. Simona Hehl, Vertreterin der Lebenshilfe Herzberg, wies in emotionalen Worten darauf hin, wie wertvoll die Auszubildenden für die Einrichtungen seien, wie viele neue Ideen sie einbringen würden und dass ohne die Auszubildenden auch die Zukunft der Einrichtungen gefährdet sei. Unterstützt wurde sie dabei auch von Jana Kürbis, die als Vertreterin der Harz-Weser-Werke den Forderungen Nachdruck verlieh. Andreas Kern, von der Pflegeinrichtung Villa Juesheide in Herzberg, machte nachdrücklich auf die Refinanzierungsprobleme der Assistenzkräfte insbesondere bei den Pflegeassistenten aufmerksam und forderte den Vertreter der Bundesregierung auf, Maßnahmen gegen diese ungeregelten Verhältnisse zu schaffen.
Der Leiter der BBS II Osterode, Dr. Carsten Wehmeyer, unterstützte in seinem Plädoyer die Forderungen von Schülern und Ausbildungseinrichtungen und wies zudem auf die Unterschiede in den einzelnen Bundesländern hin. So wird in einigen Bundesländern eine Ausbildungsvergütung bezahlt.
Dr. Kühne sicherte in seinem Schlusswort den Schülerinnen und Schüler seine weitere Unterstützung zu. Diese Initiative stelle eine Besonderheit dar, weil die pflegerischen Ausbildungsberufe und die vom Pflegemangel betroffenen Menschen in der Gesellschaft keine Lobby hätten. Er dankte den Schülerinnen und Schülern, obwohl diese selbst von möglichen Änderungen keine Vorteile mehr erlangen werden.
Anna Przyklenk, Schülerin der Fachschule Heilerziehungspflege, untermauerte ihr Anliegen sehr emotional: „Wir wissen, warum wir in diesen Berufen arbeiten. Das soll auch in der Zukunft so bleiben. Pflegebedürftige Menschen geben uns in unserer Arbeit so viel zurück. Das ist mehr wert als alles Geld. Aber auch wir müssen überleben. Bitte helfen Sie und unterstützen unsere Forderungen.“
Die Fahrt nach Berlin wurde durch MdB Dr. Kühne, den genannten Einrichtungen und dem Förderverein der BBS II Osterode finanziell unterstützt und dadurch erst ermöglicht. Die gemeinsame Aktion macht deutlich, wie sehr allen Beteiligten die Beseitigung dieser Missstände und damit langfristig eine qualifizierte und menschliche Pflege am Herzen liegt.
Die Schülerinnen und Schüler werden in einer nächsten Aktion Ihren Forderungen bei der Landesregierung in Hannover weiter Nachdruck verleihen. [Data]
Harz Kurier
Tageszeitung im Landkreis Göttingen
Ausgabe vom 27.09.2019
"Ausbildung zu Pflege verbessern"
Hessischen/Niedersächsischen Allgemeine am 14.10.2019
""BBS Schüler in Berlin - Pflege-Azubis aus Südniedersachsen kämpfen in der Bundeshauptstadt für bessere Vergütung"