Burkini und Seepferdchen – ab ins Wasser!
Im Kindesalter erlernt, automatisiert und so für die meisten Menschen zur Routine geworden:
das Schwimmen. Die Bewegungsabläufe, die einen im wahrsten Wortsinn über Wasser halten, bedeuten für die Entwicklung von Menschen jeder Altersgruppe mehr als das Erlernen von Bewegungsabläufen. Gleichgewicht, Sinnesorgane, Körperwahrnehmung, Atmungsorgane und noch viel mehr werden durch diese sportliche Aktivität trainiert und gefördert. Soweit zur Theorie, denn dass die Zahl an Menschen zunimmt, die des Schwimmens nicht mächtig sind, beklagt schon seit Längerem die DLRG. Die Gründe für das Steigen des Nichtschwimmeranteils unter jungen Menschen sind hierbei vielfältig.
Um dieser Herausforderung entgegenzuwirken, haben sich die Berufsbildende Schule II Osterode am Harz mit einem besonderen Projekt eingebracht, welches darüber hinaus auch interkulturelle Brücken baut und soziale Teilhabe fördert: Die jungen muslimischen Schülerinnen der BBS II, die teilweise noch nie zuvor eine Schwimmhalle betreten hatten, konnten ihre ersten Wassererfahrungen sammeln. Dazu mussten zunächst einige logistische Hürden überwunden werden. Burkinis wurden organisiert, der Transport geplant und natürlich musste auch eine geeignete Schwimmhalle gefunden werden, um den sicheren Rahmen, den Safe-Space, für die jungen Schülerinnen zu gewährleisten. Letztendlich stellte sich die Grundschule Gittelde für den Projektanlauf zur Verfügung und auch das Freizeitbad Clausthal-Zellerfeld unterstützte dieses Projekt.
Während abwechslungsreicher Aktionen mit Brett, Poolnudel und Alltagsmaterialien erfuhren die Mädchen die Eigenschaften und Wirkungen des Wassers auf ihren Körper, u. a. lernten sie unter Wasser die Augen zu öffnen und in das Wasser auszuatmen. Eine wichtige Fertigkeit, die später in den Bewegungszyklus des Brustschwimmens eingebaut wurde. Auch die weiteren schwimmerischen Grundfertigkeiten, wie das Gleiten, Rotieren, Springen, Tauchen und der Auftrieb wurden berücksichtigt und bildeten so das Fundament zum Erlenen einer Schwimmtechnik. Da es auch ein Ziel sein sollte, die Schülerinnen im Umgang mit dem für sie neuen Element Wasser zu stärken, durfte natürlich auch der Sicherheitsaspekt nicht fehlen. Auch die Baderegeln in Theorie und Praxis gehörten zum Kurs dazu. Diese Regeln können in unterschiedlichen Sprachen auf der Seite der DLRG eingesehen werden. Somit wurde ein Rundum-sorglos-Paket aus theoretischen und praktischen Aspekten des Schwimmens für die muslimischen Schülerinnen geschaffen.
Nach all den lohnenden Mühen sind die Organisatorinnen Rita Nienstedt und Stefanie Küster begeistert, dass über die Hälfte der Teilnehmerinnen des inzwischen multikulturell besetzten Kurses ihr Seepferdchen absolviert hat. Eine tolle Leistung, auf die im weiteren Verlauf des Kurses aufgebaut werden kann.
[Wieg]
Harz Kurier
Tageszeitung im Landkreis Göttingen
Ausgabe vom 22.02.2023